Vorwort

,,Mein Herr, ist Ihnen das eingefallen oder haben Sie darüber nachgedacht"? Mit dieser klassischen Frage pflegte Karl Kraus Spreu vom Weizen bei den Einfällen der Zeitgenossen zu trennen. Zugegebenermaßen sind Bücher am Ende einer Karriere nichts eben Originelles. Sie mögen ihren früheren Stellenwert als summa eingebüßt haben, mancher mag auch die Wirkung der Autobiographie, zumal die der eigenen, verkennen. Das Interesse des Lesers am Voyeuristischen oder seiner Erwähnung festzumachen, ist sicher billiger Schmäh. Ein Buch ist ein Buch. Niemand brauchte es, gäbe es nichts mitzuteilen, und wer nicht will, muß es nicht lesen.

Das galt es zu bedenken. Der Plan für dieses Buch reifte vor über einem Jahr, als sich das Ende der Präsidentschaft Klaus Murmanns abzeichnete. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, dies macht nicht nur der Blick auf die photographischen Momentaufnahmen deutlich. Trotz Schnellebigkeit und dem Wechsel der Akteure in Politik und Wirtschaft, trotz des Umbruchs nach der,,Sternstunde" der deutschen Wiedervereinigung, Kontinuität ist das Epitheton ornans seiner Amtszeit. Dies wiegt viel, weil das Präsidentenamt ein Ehrrnamt ist, demokratisch legitimiert und von Zuspruch wie Unterstützung Gleicher getragen.

Wäre es nur um die Erfüllung der Chronistenpflicht ge gangen, eine geschickt zusammengestellte, reich bebilderte Dokumentation hätte es zweifelsohne getan. Wer aber soll das lesen? Dir Zahl derjenigen. die eine Rede noch einmal zur Hand nehmen, ist beschränkt. Dem Visionär Klaus Murmann wird so etwas nicht gerecht, ihm derlei zu schenken, wäre wie die Bestätigung, ihn nie verstanden zu haben. Wer wie er aus dem Einsatz für die respublica und seinem Unternehmertum zum Vorbild für unsere Wirtschaftsordnung geworden ist, der muß einen Standpunkt und feste Überzeugungen haben! Deshalb war es richtig, ihn zu Wort kommen zu lassen.

,,Was mich bewegt" hätte auch einfach diktiert, von erprobten Formgebern redigiert werden können. Solche Gefälligkeiten füllen Regale!

Klaus Murmann ist ein nachdenklicher Mann, seine Zukunftsentwürfe sind nicht rasch aufs Papier geworfen. Seine Zeit war von dem belebenden Widerstreit zwischen Kür und Pflicht, dem eigenen Kopf und papierner Weg- weisung bestimmt. So sehr er sich dem ,Leitseil" zu entziehen suchte, er schätzte den kritischen Diskurs, die Anregung im Gespräch, auch den Widerspruch. Zu sagen, was er wirklich dachte, darauf kam es ihm an.

Darum dieses Buch über ein Gespräch Klaus Murmanns mit zwei Joumalisten, wie sie von ihren Überzeugungen in der Sache her schwerlich nicht unterschiedlicher hätten gefunden werden können. Däs Buch sollte schließlich keine panegyrische Festgabe werden! Die Binnenneutralität der Gesprächsrunde ist am besten mit einem gleichschenkligen Dreieck verglichen. Hier der Bonner Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Rolf Dietrich Schwartz, ein vorzüglicher Ökonom und der ,,letzte echte 68er", dort der Wirtschaftsredakteur der FAZ, Rainer Hank, eigenständig und analytisch präzise, Kritiker der Tarifautonomie und der sie tragenden Verbände und Klaus Murmann.

Daß aus dem Interview ein Gespräch geworden ist, war beabsichtigt. Die im Laufe des Gesprächs gewachsene, gegenseitige Sympathie ist unverhoffte Dreingabe. Wer als Leser über den Fragenden einen Blick dahinter, hinter die Kulissen werfen will, benötigt Kenntnis.

Geheimnisse, besser, weniger Bekanntes, sind schnell erzählt, schnell auch gelesen. Niemänd sollte darüber vergessen, daß sie nicht von jedem erlebt, viel weniger von jedermann mitgestaltet werden. Oft ist das ehrenamtliche Engagement Klaus Murmanns gewürdigt worden. Das mag es so oder ähnlich hundertfach geben - sein Amt, der damit verbundene Arbeitseinsatz, die Beschränkung persönlicher Freiräume, die vor allem spezifische Sicht des weltoffenen Unternehmers, nur einmal. Verantwortung in schwieriger Zeit, so wird möglicherweise seine Amtszeit einmal überschrieben sein.

 

Thomas Gross